Mein PC, der Teufel und ich

Frank Lüttschwager • 2. August 2025

Und schon sind die verbotenen Früchte -aus Cupertino- wieder attraktiv!

Mann sitzt ratlos vor offenem PC-Gehäuse und hält einen Prozessor in der Hand

Manche Leute fahren in den Ferien ans Meer.

Andere in die Berge.

Und ich?

Ich baue mir einen neuen PC zusammen. 

Warum?

Weil ich es kann ... dachte ich. 

Ferien kann ich mir als Freiberufler ohnehin nicht leisten – Gelöbnis der ewigen Armut und so.

Hey, nicht wegklicken – jetzt geht´s erst los!
 

Eigentlich wollte ich nur meinem ollen Windows-Rechner ein kleines Update verpassen:
Mainboard aus Taipeh, CPU aus Santa Clara, Kalifornien, Speicher – alles schön frisch, damit der Kasten endlich auch im Jahr 2025 ankommt.

Es sollte schnell gehen.
Ein entspanntes Stündchen schrauben, ein wenig BIOS Optimieren – schlanke 10 Minuten, Windows starten, fertig.
 

Ja, dachte ich!

 

Willkommen zurück in der PC-Bastelzeit - Realität

Ich weiß nicht, wie viele von euch noch diese Zeit kennen, in der ein PC ein Abenteuer war.
Die 90er-Jahre, als jeder Rechner anders lief, als man noch handgeschriebene Jumper-Tabellen hatte und der Satz „läuft bei mir“ bedeutete, dass man Glück gehabt hatte.

Genauso fühlte es sich wieder an.
Nur dass die Hardware heute nicht mehr so teurer ist, die Fehler kryptischer und die Handbücher aus Taipeh in 13 Sprachen vorliegen, aber die entscheidenden Infos fehlen.


Der Plan

Ich wollte:

  • eine moderne CPU mit integrierter Grafikeinheit,
  • ein neues Mainboard aus Taipeh,
  • M.2-SSDs, damit der Rechner auch mal zeigt, was er kann. Eine war ja auch schon da, mit dem produktiv eingesetzten Windows11.

Och … ja. Dass Win11 überhaupt mal funktioniert hat, ist ja schon eine Nachricht wert.


Nicht anfassen, ich weiß ... es jetzt doch auch (wieder).


Warum dennoch?


Weil man doch mal mit der Zeit gehen will.
Weil ein bisschen schneller nie schadet.

Ich bin kein Gamer und mache keine High-End-Videoproduktion.
Aber wenn man schon alles neu macht, dann bitte ordentlich.

 

Die Realität

Und dann beginnt das, was jeder kennt, der schon mal einen PC selbst gebaut hat:
 
„Auf dem Papier sieht alles super aus.“

  • Zentrale Recheneinheit aus Kalifornien 
  • Zwei M.2-Einschubleisten, laut Handbuch
  • RAM auf 3200 MHz
  • Theoretisch eine Rakete.

 

Die erste Ernüchterung: M.2 kann auch langsam


Erster Boot, Benchmarks gemacht (klar, Benchmark muss sein – man will ja sehen, wie schnell die Rakete ist).


Was zeigt mir das Tool?


  • Die eigentlich schnellere Festkörper‑Massenspeicher‑Einheit ohne bewegliche Teile (ab hier meistens NVMe‑SSD) aus Südkorea läuft im schnellen CPU‑Steckplatz nur mit zweifacher Geschwindigkeit.
  • Die SSD aus Boise läuft im gleichen CPU‑Steckplatz ebenfalls nur zweifach – aber im langsameren Chipsatz‑Steckplatz, der laut Handbuch gar nicht mehr als zweifach kann, plötzlich mit vierfacher Geschwindigkeit!


Ja, genau: Der Steckplatz, der offiziell nicht schneller sein kann, ist auf einmal der Turbo.


Da lässt sich das Hauptbrett einfach Lanes wachsen, wo keine sind – ein spontanes Upgrade aus dem Nichts.


Natürlich denkt man dann:


„Alles klar, dann stecke ich die schnelle SSD da rein.“
Gesagt, getan – und was passiert?
Auch dort läuft sie nur mit zweifacher Geschwindigkeit.
 

Fast so, als ob sie sich extra einen Spaß daraus macht, mich zu ärgern.

Und als Bonus: Wenn man die beiden Laufwerke vertauscht, laufen plötzlich beide nur noch zweifach.

Kleiner roter Teufel kriecht aus einer Computerplatine heraus, zeigt den Mittelfinger und streckt die Zunge raus.

 

Logik? Keine.
Handbuch? Nutzlos.
Ich? Ratlos.


Das Zuffenhausen‑Problem


Jetzt mal ehrlich:
Ich fahre auf der Autobahn, meistens, ok häufig, ja gut, manchmal vernünftige 120 km/h.
Ich habe kaum vor, schneller zu fahren.
Trotzdem kaufe ich mir
in Gedanken einen Sportwagen aus Zuffenhausen, der 280 fahren könnte – einfach, weil ich’s -mir vorstellen- kann. Keine Sorge, ich habe keinen.
 
Mein Zuffenhausen‑Traum bleibt ein reines Gedankenspiel.

Und was passiert in diesem Gedankenspiel?


Der Sportwagen fährt nur 250! Moment, aber auf dem Papier steht 280!


WIE BITTE?!!! Er ist nicht so schnell, wie er sein könnte.
 

Genau so wie dieser PC:
Er kann viel schneller rechnen, als ich es jemals brauchen werde – aber er tut es nicht.


Er kann viel länger auf meine Eingaben warten, als ich jemals ausnutze – aber er tut es eben nicht.Und während er wartet, feilt er sich gemütlich die Fingernägel und häkelt nebenbei noch einen Schal.


Aber, ..., ICH WILL, dass er mit maximaler Geschwindigkeit ... auf meinen Tastendruck wartet. Nicht weil es Sinn macht, sondern weil ich es will!

 

Willkommen im Kaninchenbau


Also verbringe ich meine Ferien mit:

  • BIOS-Updates beim Hauptbrett aus Taipeh
  • Handbuch wälzen, Schriftgröße 4, ja genau µm, hellgrau auf weiß...
  • Forenbeiträgen aus aller Welt („Bei mir läuft alles super!“ – Danke, hilft mir total, behalt´s für dich). Langsam bin ich genervt.
  • Kabel umstecken
  • Benchmarks fahren
  • Noch mehr Benchmarks fahren.


Und jedes Mal das gleiche Ergebnis:
Slot eins ist zu langsam, Slot zwei ist schnell.
Die beiden SSDs und das Hauptbrett haben sich doch verschworen, die veräppeln mich! Mit voller Absichtlich!


Das große Fazit: Es klappt nicht


Nach Tagen der Fehlersuche, BIOS-Experimente, Treiberinstallationen, ...


Spoiler: Es hat natürlich nicht geklappt.


Und warum?
Keine Ahnung.
Vielleicht Board-Bug.
Vielleicht BIOS-Bug.
Vielleicht die Fensterdengler aus Seattle.
Vielleicht alles zusammen.


Und jetzt kommt das Absurde an der ganzen Sache:
Selbst wenn ich die SSD wieder auf 4×-Tempo gebracht hätte –
in meinem Alltag hätte ich es natürlich nicht gemerkt.

Was passiert, wenn ich eine Mail öffne oder einen Text schreibe?
 
Egal, ob die SSD nun 3.500 MB/s oder 1.800 MB/s schreibt... Ich merke es nicht, da der Rechner ohnehin auf mich wartet.

Trotzdem habe ich Stunden, Tage, ach was Monate und Jahre damit verbracht, diese Geschwindigkeit zu jagen.

 

Willkommen im Jahr 1998

Und während ich so im BIOS hänge und den fünften Benchmark des Tages starte, denke ich mir:
Herzlichen Glückwunsch, du bist wieder 1998.
Damals, als man seine Ferien damit verbracht hat, Treiberkonflikte zu lösen und IRQs umzustecken.
Damals war es wenigstens noch neu und spannend.

Heute ist es nur noch absurd.

 

Warum ich bei der verbotenen Frucht gelandet bin und bleibe?


Ich habe hier auch noch so eine Kiste aus Cupertino stehen.


Sagt mal, kennt eigentlich irgendjemand irgendetwas anderes aus dieser Stadt?


Nein? Ich auch nicht.


Aber diese Dinger – just one more thing - die funktionieren.


Dieser Kasten ist langsamer. Die SSD in dem Ding ist auf dem Papier viel gemütlicher.


Aber:


  • Ich schalte den nicht mal ein.
  • Ich klatsche morgens auf die Leertaste oder schnippe die Maus kurz an, und der Rechner ist da.


Kein BIOS aus Taipeh, kein Lane-Sharing, kein „Warum ist das Ding langsamer, als es sein sollte?“.
 

Es funktioniert - einfach.

 

Der Vergleich


Die verbotene Frucht ist für mich wie ein Buchhalter im Armani-Anzug:


  • Pünktlich, verlässlich, macht seinen Job.


Ein PC ist wie ein Hochleistungsathlet mit Tennissocken:


  • Er könnte richtig schnell sein, vielleicht 280 km/h, aber dann rennt er in die falsche Richtung oder stolpert über seine eigenen Schnür.. Lanes.

 

Und dann kamen die Fensterdengler aus Redmond


Ach ja, und als ob das alles noch nicht gereicht hätte: Kaum lief das System endlich irgendwie stabil, kriegen die Fensterdengler einen ihrer hysterischen Aktivierungsanfälle:


„Dieses Windows muss aktiviert werden.“




Oh Mann.


Und jetzt hören Sie mal genau hin: Ja, genau! Das ist gerade die flache Hand, wie sie vor meine Stirn klatscht.

Ich habe nur noch laut gelacht.


Nach BIOS, Benchmarks und M.2-Rätseln war das der Moment, an dem ich ernsthaft überlegt habe, einfach in die Tischplatte zu beißen.


Oder, um es anders zu sagen:


Du denkst, es ist nur ein kleines Loch im Zahn – und dann kommen die Aushilfsglaser aus Redmond und machen ohne Betäubung eine Wurzelbehandlung.


Jedenfalls suche ich mir fürs nächste Mal zum PC‑Basteln einen Raum ohne Fenster.


Im Idealfall mit gepolsterten und gummierten Wänden.


Nein, nicht weil ich mich beim nächsten Mal einweise, sondern weil ich sonst vielleicht so eine Kiste aus dem Fenster werfe.


Und das könnte für zufällig vorbeilaufende Passanten ja immerhin gefährlich werden.

Mann wirft einen Computer wütend aus dem Fenster.

 

Back in 1998. Nur dass die Rechner heute mehr Kerne haben und die Fehler noch besser versteckt sind.


Transparenzhinweis:
 

Niemand mit klarem Verstand hat ernsthaft die Absicht, ein funktionierendes PC‑System auseinanderzunehmen und neu aufzusetzen ...

Bei der Recherche zu diesem Blog wurden selbstverständlich weder PC‑Dämonen gequält oder Bugs zertreten noch Computer‑Viren ausgerottet. Alles streng nach Artenschutz.


Ich weiß natürlich, dass richtige Fachleute hier vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Und ja – alles, was ich hier beschrieben habe, kann auch schlicht meine eigene Unfähigkeit widerspiegeln.
Aber genau so habe ich es erlebt, genau so hat es sich für mich angefühlt 😢 .
 

Ach was: Und wenn es euch beim Lesen ein bisschen unterhalten hat, dann hat sich das Ganze ja schon gelohnt.


Dann baue ich nächstes Jahr eben noch einen Rechner


… vielleicht eine NAS.


Oder direkt einen Linux‑Proxmox‑Server …