90 Sekunden reichen nicht – warum Lernen mehr braucht als ein Video
Wohin der rechte Weg führt, ist ungewiss. Wohin der linke führt, wissen wir.

90 Sekunden reichen nicht – warum Lernen mehr braucht als ein Video
Lernvideos sind beliebt. Zu Recht.
Sie können anschaulich sein, gut erklärt, manchmal sogar unterhaltsam. Aber sie können auch täuschen. Nämlich dann, wenn sie den Eindruck erwecken, man hätte etwas verstanden, nur weil man es gesehen hat.
Das Problem ist nicht das Medium. Das Problem ist der Glaube, dass Lernen funktioniert wie Seriengucken: anmachen, durchlaufen lassen, irgendwas bleibt schon hängen.
Achtung Spoiler: Nee, eben nicht!
Der Aufhänger: „Kurzvideos erschweren das Lernen“
Die
Tagesschau hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: Wer sich beim Lernen auf Kurzvideos verlässt – egal ob TikTok, Insta oder YouTube –, lernt weniger tief, denkt weniger reflektiert und schneidet in Tests signifikant schlechter ab.
Die dahinterliegende
Studie aus dem Fachjournal Teaching and Teacher Education (ScienceDirect, 2025) zeigt deutlich:
- Viel Konsum von Kurzformaten führt zu
- weniger rationalem Denken
- und mehr oberflächlichem „Wissen“.
Der Eindruck, „Ich hab’s verstanden“, entsteht oft zu früh – und fällt bei der ersten abgewandelten Aufgabe in sich zusammen.
Türsteher im Kopf – was bleibt wirklich hängen?
Ich habe in meinem Artikel „Lernen trotz Gehirn – den Türsteher überlisten“ schon mal erklärt, wie
selektiv unser
Gehirn ist: Es
lässt nur durch, was als wichtig und sinnvoll erkannt wird.
Was zu schnell,
zu hektisch oder
zu beiläufig kommt,
fliegt raus bzw. wird abgeblockt.
Und genau das passiert bei vielen Lernvideos – vor allem bei solchen, die wirken wie PowerPoint auf Speed:
Lautsprecherstimme, Emojis, Zooms, Jump Cuts, Soundeffekte – aber keine echte Verarbeitungstiefe.
“Eh, yo, man, heute gucken wir uns mal an, wie man datt x^2 inner quadratischen Gleichung auf die andere Seite (hi hi, “der hat andere Seite gesagt”) machen kann. Voll geile Sache.”
Hast Du was verstanden? Okay, ich weiß auch Ehrlich gesagt nicht, was ich geschrieben habe …
Wenn dein Gehirn denkt: „Wow, cooles Video!“ – dann hat es noch lange nichts gelernt. Und mit der Erklärung von oben löst du so eine quadratische Gleichung aber noch lange nicht.
Was Lernvideos nicht zeigen – und warum das gefährlich ist
Ein Video kann dir nicht alles erklären. Es muss Dinge weglassen – aus Zeitgründen, aus Rücksicht, manchmal auch aus Unwissen. Aber genau das, was nicht gesagt wird, ist oft das, was du selbstständig erschließen müsstest.
„Das, was ich nicht sage, macht den Hauptteil dessen aus, was du können musst.“ (Gedachter O-Ton eines ehrlichen YouTubers.)
Und jetzt mal ehrlich:
Hast du wirklich alle Videos von, nennen wir sie mal, Benedikt oder Marlene gesehen? Wirklich alle?
Bist du sicher, dass du nicht genau das eine verpasst hast, das dir jetzt in der Prüfung fehlt?
Lernen beginnt, wenn du selbst aktiv wirst
Du brauchst mehr als das Video:
- einen Stift in der Hand
- einen wachen Verstand
- die Bereitschaft, über das Gesagte hinauszudenken
Denn was passiert, wenn ich in der Klausur eine einzige Zahl oder Variable in der Aufgabe ändere?
Richtig: Nichts geht mehr. Weil du nicht gerechnet, sondern nachgemacht hast.
Weil du höchstens gelernt hast, was du tun sollst – aber nicht warum.
Überhaupt ist “Warum?” eine derwichtigsten Fragen im Lernprozess. Und … meistens musst du sie dir auch noch selbst beantworten.
Lernvideos sind nicht grundsätzlich schlecht – sie sind ein Werkzeug
Nicht falsch verstehen:
Lernvideos sind nicht per se schlecht. Im Gegenteil – sie können richtig gut sein, wenn du gelernt hast, damit zu arbeiten.
Bei Marlene kannst du zurückspulen. Du kannst stoppen, neu starten, leiser machen. Versuch das mal bei Frau Geröllheimer-Kalkries im Unterricht. Lauter, leiser, Pause, vorspulen? An zwei Knöpfchen drehen? Drücken? Ziehen?
Vergiss es! Ist gesellschaftlich nicht akzeptiert.
Was ist besser zum Lernen: Video, Lehrer oder Schulbuch?
Was ist eigentlich der große Unterschied, ob Herr Müllermeier-Schmidt – ja, das Vorurteil habe ich jetzt mal absichtlich gezogen: Lehrer haben eben Doppelnamen – vorne am Whiteboard steht und die PQ-Formel erklärt, … oder ob Benedikt das Gleiche in einem Video präsentiert?
Oft gar keiner – wenn du beides nur passiv konsumierst.
Das Lernvideo ist nur dann besser, wenn du es als aktives Tool nutzt:
- Notizen machen
- stoppen
- nachdenken
- zurückspulen
- eigene Beispiele überlegen
Ach Moment – das könntest du mit einem Schulbuch genauso machen.
Nicht das Medium entscheidet, ob du etwas lernst – sondern deine Haltung dazu.
Wenn du lernen willst, brauchst du mehr als ein Erklärvideo.
Du brauchst dich selbst – in Aktion, nicht im Lehnstuhl.
Die größte Lüge der digitalen Lernwelt ist: „Wenn du’s gesehen hast, hast du’s verstanden.“
Nein. Du hast es gesehen, aber nur gesehen.
Verstanden hast du es erst, wenn du es erklären, anwenden, übertragen kannst – und wenn du gemerkt hast, wo das Video aufhört und dein eigener Lernprozess beginnt.
🫣😜 Achtung, gleich wird’s sarkastisch. Bitte nicht alles wörtlich nehmen. Wirklich nicht. Dreimal tief durchatmen – und dann weiterlesen.
Mathe im Internet – so einfach kann’s sein! (IRONIE!)
Wir nehmen mal eine richtig schöne Aufgabe – wie aus dem „echten“ Leben:
Wenn du da nicht sofort weißt, was zu tun ist: Kein Problem!
Dann gönn dir einfach ein paar Stunden YouTube-Videos. Dazu ’ne Portion Pommes, ein Hamburger – läuft.
Benedikt liefert die Erklärung in 6–7 Lernvideos – animiert, mit Farbverlauf, Musik und digitalen Kärtchen.
Marlene? Die macht’s richtig gründlich – 180 Minuten. Vielleicht auch 240. Also eine gute Spielfilmlänge. Inklusive:
- Einleitung (15 Min): „Was ist überhaupt eine Gleichung?“
- Reminder (20 Min): „Durch Null teilen ist verboten – Mathepolizei incoming!“
- Grundlagen (30 Min): „PQ-Formel? Machen wir erstmal ganz langsam.“
- Hauptteil (110 Min): Mitrechnen, Begriffe wiederholen, ruhig durchatmen
- Outro (20 Min): „Du hast’s geschafft! Du bist toll!“
Und nicht vergessen: Pause machen! Playlist checken! Hast du wirklich alle relevanten Videos gesehen? Nicht verpassen: 7200 weitere Minuten voller Spiel, Spaß, Mathe und Spannung!
Aufmerksamkeitsspanne unter TikTok-Länge? Kein Ding – dann beschleunige das Video halt. Gelernt? Eher überflogen. Gekonnt? Eher nicht.
Aber mal hypothetisch (Ironie läuft noch): Wenn du vorher ein bisschen in dein Wissen investiert hast, ist diese Aufgabe nur eine kleine Anwendung. Dann brauchst du:
- keine Musik
- keine Special Effects
- keine Lobformel fürs Durchhalten
Dann denkst du: Definitionsmenge? Klar. Umstellen? Easy. PQ-Formel? Läuft. Ergebnis prüfen? Logisch.
🛑 IRONIEMODUS AUS
💡 So, das war jetzt Ironie. Kein Frontalangriff. Nur ein kleiner Spiegel für ein großes Problem: Wenn du Lernen mit Gucken verwechselst, wird das nix.
Fazit: Lernen beginnt da, wo du es willst – nicht da, wo das Video endet
Wenn du lernen willst, brauchst du mehr als ein Erklärvideo.
Du brauchst dich selbst – in Aktion, nicht im Lehnstuhl.
Und du brauchst etwas anderes:
Einen halbwegs fairen inneren Umgang mit dem Lernstoff.
Denn wenn du bei jedem neuen Thema sofort sagst, wie schrecklich das ist – wenn du dich selbst blockierst mit „Ich kann das eh nicht“, „Mathe ist doof“, „Das versteht doch keiner“ – dann wird dein Gehirn das sehr genau hören.
Und dann macht dein „Türsteher“ im Kopf genau das, was er gelernt hat:
Er lässt nichts mehr durch. Er blockt. Hart. Und äußerst konsequent!
Was hilft?
- Dass du selbst aktiv wirst
- Dass du nachdenkst statt nur klickst
- Dass du auch mal kämpfst, aber mit dir selbst, nicht gegen den Stoff
- Und dass du, so oft es geht, versuchst, etwas Positives daran zu entdecken
Du musst Mathe nicht lieben. Aber hör bitte auf, es zu hassen.
Denn dein Gehirn merkt sich nicht, was du gelernt hast – es merkt sich, ob du dich gewehrt hast.
Am Ende gilt:
Lernen ist ein aktiver Vorgang, kein Datentransfer.
Du kannst dich selbst blockieren – oder dich selbst aktivieren.
Und genau das ist der Unterschied zwischen „gesehen“ und „verstanden“.
Nur mal zur Einordnung:
Dein Gehirn macht etwa 2 % deiner Körpermasse aus.
Aber bei echter Denkarbeit verbraucht es rund 20 % deiner zugeführten Energie – messbar, physiologisch, kein Witz.
Zum Beispiel per Atemgasanalyse: Man kann nachvollziehen, wie sich Sauerstoffaufnahme und CO₂-Abgabe verändern, wenn du wirklich konzentriert arbeitest.
Wer noch tiefer reinwill, schaut sich FDG-PET-Scans an – da siehst du, wie Zucker dorthin wandert, wo’s im Kopf wirklich arbeitet.
Und jetzt mal ehrlich:
Wenn du einfach nur ein Video konsumierst – Mathe, Katzen oder Make-up – passiert stoffwechselmäßig nicht viel.
Der Glukoseverbrauch deines Gehirns bleibt ziemlich unspektakulär.
Denn solange du nicht aktiv wirst, ist es für deinen Stoffwechsel völlig egal, was du dir anschaust.
Lernen beginnt erst, wenn du etwas tust: Wenn du mitdenkst, nachzeichnest, notierst, rechnest, hinterfragst.
Alles andere ist Unterhaltung.
Selbst wenn’s „Mathe“ heißt.
Jetzt, wo ich euch von echter Denkarbeit und selbstständigem Lernen überzeugt habe, drängt sich natürlich noch eine Frage auf:
Ist es – Achtung, Kalauer – denkbar, dass man durch intensives Lernen abnimmt?
Die Antwort:
Nein, leider nicht – durch bloßes Grübeln wirst du deinen Stoffwechsel nicht so umstellen, dass er von Glukose- auf Fettverbrennung schaltet. Also zum Abnehmen, weiter auch Sport machen. Ist auch ein guter Ausgleich zum Lernen.
🟠 Gewichtsabnahme? Eher nicht.
🟡 Intelligenzzunahme? Vielleicht.
🟢 Wissenszuwachs? In jedem Fall.
Und das – wiegt am Ende mehr.
Transparenzhinweis:
Niemand hat die Absicht, einen weiteren dieser sinnlosen, provokanten Texte über das ausschließliche Lernen mit Videos zu schreiben. Wirklich nicht.
Es ist nur so … irgendjemand muss es ja tun.
Ich 😇 hatte doch nur die Idee, den Willen, das Wissen, das Stilgefühl, die Intuition, das Einfühlungsvermögen. ... Den Mut.
Ach ja: Die KI hat’s dann noch getippt.