Gasgesetze - Pflichtstoff für Medizinstudierende?
Vom Respiratorischen Quotienten bis Boyle-Mariotte – was Medizinstudierende wirklich wissen müssen.
Die Messung von Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe ist keine Spielerei aus dem Physikbuch, sondern ein klinisches Standardverfahren. In der Spiroergometrie zeigt der Respiratorische Quotient (RQ), ob ein Patient gerade überwiegend Fett oder Kohlenhydrate verbrennt – wichtig für Leistungsdiagnostik, Sportmedizin und die Beurteilung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auf der Intensivstation liefert die Atemgasanalyse Hinweise darauf, ob die Beatmung passend eingestellt ist und wie der Stoffwechsel reagiert. In der Ernährungsmedizin kommt sie als indirekte Kalorimetrie zum Einsatz, um Energieverbrauch und Substratverwertung exakt zu bestimmen. Damit wird deutlich: Der RQ ist nicht nur eine Zahl für die Klausur, sondern ein diagnostisches Werkzeug, das Medizinstudierende in ihrem Berufsalltag wiedersehen werden.

Aus der Hausarztpraxis
Ein Patient soll sein Lungenvolumen messen. Das einfache Spirometer besteht im Kern aus einem kleinen Pusteröhrchen mit Ventilator. Der Arzthelfer bittet zum kräftigen Ausatmen – und plötzlich erscheint am Bildschirm eine makellose Flatline am oberen Anschlag. Er ist irritiert: So etwas hat er noch nie gesehen.
Jetzt ist die Arztin gefragt: Sie muss erkennen, dass hier nicht die Lunge versagt, sondern das Gerät an seine Messgrenze stößt. Für diese Einordnung braucht es mehr als Routine – es braucht ein Verständnis der Grundlagen.
Die Physik: Gasgesetze als Fundament
Gasgesetze sind keine Geheimwissenschaft, sondern das kleine Einmaleins für alle Gase – vom Luftballon über den Autoreifen bis hin zur Lunge. Was man in der Schule unter „ideale Gasgleichung“ abheftet, kehrt im Studium als Basiswissen zurück.
Die ideale Gasgleichung
Die zentrale Beziehung lautet:
p V = n R T
- p = Druck
- V = Volumen
- n = Stoffmenge in Mol
- R = Gaskonstante (8,314 J·mol⁻¹·K⁻¹)
- T = Temperatur in Kelvin
Diese Gleichung verbindet Druck, Volumen und Temperatur – die drei Größen, die in der Atmung permanent variieren. Schon ein kurzer Gedankentest: 2 Liter Luft bei 37 °C sind nicht dieselben 2 Liter bei 25 °C Raumtemperatur. Ohne Umrechnung vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Einzelgesetze für den Überblick – anschaulich gemacht
Die ideale Gasgleichung pV = nRT wirkt im ersten Moment wie eine Gleichung mit fünf Unbekannten. In der Praxis wird es einfacher:
- n (Stoffmenge) bleibt für eine betrachtete Gasportion im System konstant.
- R ist sowieso konstant. Wir nennen R ja auch deshalb Gaskonstante, weil der Wert sich nicht ändert.
Übrig bleiben also drei Variablen: Druck p, Volumen V und Temperatur T. Hält man eine davon fest, ergeben sich direkt die klassischen Gasgesetze. Mathematisch: Alles, was konstant ist, sortiert man auf die rechte Seite – und was auf der linken Seite übrig bleibt, beschreibt das Gesetz.
a) Boyle-Mariotte: p V = konstant
- Bedingung: Temperatur konstant.
- Bedeutung: Druck und Volumen sind umgekehrt proportional.
- Beispiel: Wird die Lunge von 3 L auf 1,5 L zusammengedrückt (z. B. beim Tauchen in 10 m Tiefe, wo der Umgebungsdruck doppelt so hoch ist), verdoppelt sich der Druck im Inneren – genau deshalb ist das Auftauchen mit angehaltenem Atem gefährlich.
Beispiel:
Die Alveolen sind winzige Luftbläschen in der Lunge. Beim Freitauchen wird die Luft in der Lunge beim Abtauchen zusammengedrückt: in 10 m Tiefe herrschen 2 bar Umgebungsdruck. Die Temperatur in der Lunge ist konstant.
Ein Freitaucher nimmt an der Oberfläche 6,0 Liter Luft in die Lunge.
Wie groß ist das Lungenvolumen, wenn er ohne zu atmen auf 10 m Tiefe abtaucht?
Anmerkung: Je 10 m Wassertiefe steigt der Druck um etwa ein bar.
Lösung:
b) Gay-Lussac: V/T = konstant
- Bedingung: Druck konstant.
- Bedeutung: Erwärmt man ein Gas, dehnt es sich aus.
- Beispiel: Atemluft, die von 25 °C Raumtemperatur (298 K) auf 37 °C Körpertemperatur (310 K) erwärmt wird, vergrößert ihr Volumen bei gleichem Druck um rund 4 %. Ein Atemzug, der draußen 500 mL misst, entspricht im Körper also etwa 520 mL.
c) Amontons: p/T = konstant
- Bedingung: Volumen konstant.
- Bedeutung: Steigt die Temperatur, steigt der Druck.
- Beispiel: Eine verschlossene Luftblase (z. B. in einer Spritze) dehnt sich nicht aus, aber der Druck steigt. Wird die Spritze von 20 °C auf 40 °C erwärmt, erhöht sich der Druck um etwa 7 %.
Beispiel: Ideale Gasgleichung mit Einheiten-"Falle"
Eine Beatmungsmaschine pumpt 6 g Luft in die Lunge.
Gegeben:
- Molares Gewicht der Luft: M = 30 g/mol
- Gaskonstante: R = 8 J-1 mol-1
Aufgabe: Berechne das Luftvolumen in der Lunge.
- 4,8 m³
- 4,8 L
- 480 mL
- 0,48 m³
Korrekturregel (aus der Uni-Praxis):
Als ich noch Klausuraufgaben kontrolliert habe, lautete die Ansage unseres Chefs:
„Ohne Einheit gerechnet → die Aufgabe wird nicht korrigiert. Null Punkte.“
Einheiten sind keine Dekoration, sondern ein wesentlicher Teil der Lösung. Es macht schließlich einen Unterschied, ob du
60 cm³ Wasser trinkst und deinen Durst löschst – oder
60 m³ Wasser trinkst und elendig ersäufst.
Diese drei Gesetze sind keine Sonderfälle am Rande, sondern direkte Konsequenzen der idealen Gasgleichung – und tauchen in der Atemphysiologie ständig auf.
Daltons Gesetz der Partialdrücke
Ein Gasgemisch übt einen Gesamtdruck aus, der sich aus den Partialdrücken der Einzelgase zusammensetzt:
Physikbeispiel: Die Kerze unter dem Glas
Viele kennen das Schul-Experiment: Eine Kerze brennt unter einem umgestülpten Glas, nach kurzer Zeit erlischt die Flamme. Misst man den Druck im Glas, fällt er nicht auf Null, sondern nur leicht – auf etwa 0,8 bar. Der Grund: Nicht „die ganze Luft“ wird verbraucht, sondern nur der Sauerstoffanteil von rund 20 %. Fällt dessen Partialdruck zu weit ab, erlischt die Flamme.
Alltagsbeispiel: Stickige Luft
Noch bekannter ist das Gefühl in einem vollen Klassenraum oder Besprechungsraum mit geschlossenen Fenstern: Die Luft wird „dick“. Der Gesamtdruck der Luft bleibt bei 1 bar – aber:
- Der Sauerstoffpartialdruck sinkt,
- der CO₂-Partialdruck steigt.
Das führt dazu, dass wir uns müde fühlen und schlechter konzentrieren können. Dalton lässt grüßen – ganz ohne Messgerät.
Beispiel aus der Klinik: Sauerstoffzelt
Dass es nicht nur im stickigen Raum auf die Partialdrücke ankommt, zeigt das alte Bild vom Sauerstoffzelt. Patienten mit Atemnot wurden – und werden in moderner Form mit Masken oder Nasenbrillen – in eine Atmosphäre gebracht, die einen höheren Sauerstoffanteil enthält.
- Der Gesamtdruck der Luft bleibt gleich.
- Aber: Der Sauerstoffpartialdruck steigt, weil der Anteil von O₂ künstlich erhöht wird.
Das erleichtert die Diffusion von Sauerstoff in die Lunge und entlastet so den Patienten beim Atmen.
Das Sauerstoffzelt oder die Atemmaske erhöhen den Sauerstoffpartialdruck in der Atemluft – und genau hier greift Henrys Gesetz: Je höher der Partialdruck in der Lunge, desto mehr Sauerstoff löst sich im Blut und steht dem Körper zur Verfügung.
Henrys Gesetz
Henrys Gesetz besagt: Die Menge eines Gases, die sich in einer Flüssigkeit löst, ist proportional zu seinem Partialdruck.
Das kennt jeder aus dem Alltag: Solange eine Mineralwasserflasche verschlossen ist, steht das CO₂ unter Druck und bleibt gelöst. Nach dem Öffnen fällt der Druck, das Gas entweicht als Bläschen.
Auch die Lunge folgt diesem Prinzip. Sauerstoff möchte sich nur begrenzt im Wasser lösen – und Blut ist im Wesentlichen eine wässrige Lösung. Würden wir allein nach Henry gehen, könnten wir viel zu wenig O₂ transportieren. Der Körper trickst deshalb: Sauerstoff wird in ein chemisches Gleichgewicht mit Hämoglobin gezwungen, das O₂-Moleküle bindet und stabil „verpackt“. So wird die geringe Löslichkeit von Sauerstoff elegant umgangen.
Kohlendioxid verhält sich anders. Es ist rund 20-mal besser löslich im Plasma als Sauerstoff. Ein Großteil des CO₂ wird zusätzlich in Form von Hydrogencarbonat (HCO₃⁻) transportiert – in der Medizin spricht man oft vom „Bikarbonat“. Die Reaktionsgleichung lautet:
Damit ist CO₂ nicht nur ein Atemgas, sondern auch direkt mit dem Säure-Basen-Haushalt des Körpers verknüpft. Schon kleine Veränderungen des Partialdrucks können den pH-Wert spürbar verschieben – ein Grund, warum Patienten mit Atemstörungen schnell in eine respiratorische Azidose oder Alkalose geraten können.
Und schließlich zeigt Henry auch bei Stickstoff seine Wirkung: Beim Tauchen löst sich N₂ unter hohem Umgebungsdruck im Gewebe. Steigt der Taucher zu schnell auf, entweicht das Gas in Form von Blasen – die gefürchtete Dekompressionskrankheit.
Henrys Gesetz ist damit alles andere als trockene Theorie: Es erklärt, warum Mineralwasser sprudelt, warum wir Hämoglobin brauchen, warum CO₂ den pH reguliert – und warum Taucher langsam auftauchen müssen.
Wie wird in der Spiroergometrie eigentlich gemessen?
Um den Respiratorischen Quotienten bestimmen zu können, müssen zwei Dinge erfasst werden:
- Ein- und ausgeatmete Luftmengen – also der Volumenstrom pro Zeit.
- Gaszusammensetzung – wie hoch der Anteil von Sauerstoff (O₂) und Kohlendioxid (CO₂) in Ein- und Ausatemluft ist.
Für die Volumenmessung strömt die Atemluft durch eine Messeinrichtung, zum Beispiel ein kleines Flügelrad oder einen Pneumotachographen (Staurohr-Prinzip). So lässt sich erfassen, wie viel Luft pro Atemzug bewegt wird.
Die Gasanteile werden mit unterschiedlichen Verfahren erfasst: CO₂ lässt sich durch seine charakteristische Infrarot-Absorption messen, während O₂ aufgrund seines Paramagnetismus bestimmt wird.
Aus diesen Messgrößen – Volumenstrom, O₂-Anteil, CO₂-Anteil – berechnet das Gerät, wie viel Sauerstoff tatsächlich aufgenommen und wie viel Kohlendioxid abgegeben wurde. Diese Größen bilden die Grundlage für den Respiratorischen Quotienten.
Relevanz für Messgeräte
Alle modernen Spirometer und Spiroergometrie-Systeme arbeiten mit Korrekturen, die auf diesen Gesetzen basieren. Sie rechnen automatisch von „Umgebungsbedingungen“ (ATPS: Ambient Temperature, Pressure, Saturated) auf „Körperbedingungen“ (BTPS: Body Temperature, Pressure, Saturated).
- Muss ein Mediziner die Umrechnungsfaktoren auswendig können? Nein.
- Muss er wissen, dass es diese Abhängigkeiten gibt? Ja – um zu verstehen, dass Messwerte nicht „absolut“ sind, sondern rechnerisch korrigiert werden.
Die Chemie: Reaktionsgleichungen
Die Physik stellt die Gleichungen bereit – die Chemie die Reaktionen. Und genau hier wird es für die Medizin spannend.
Glucose Oxidation:
Für jedes verbrauchte O₂ entstehen gleich viele CO₂-Moleküle. Der respiratorische Quotient (RQ) liegt bei 1,0.
Fettverbrennung (z. B. Palmitinsäure):
Hier entstehen weniger CO₂-Moleküle pro O₂ → der RQ liegt bei ca. 0,7.
Chemie heißt hier: nicht nur Gleichungen hinschreiben, sondern verstehen, was sie bedeuten. Aus diesen Reaktionen ergibt sich direkt, was der Körper im Belastungstest bevorzugt verbrennt – Zucker oder Fett.
Zur Klarstellung: In der Physiologie wird der RQ nicht mit Molekülzahlen bestimmt, sondern mit Volumenströmen:
RQ ist definiert als
Dabei bezeichnet den Volumenstrom des aufgenommenen Sauerstoffs und den des abgegebenen Kohlendioxids.
Wer an dieser Stelle merkt, dass Reaktionsgleichungen ausbalancieren, Redoxreaktionen oder Oxidationszahlen nicht mehr so flüssig sitzen wie früher, findet dazu mehr unter Nachhilfe Chemie im Medizinstudium.
Und was am Ende der Arzt aus einem Messschrieb ableitet? Das bleibt sein Fachgebiet. Ich bin Chemiker, nicht Arzt.
Die Physiologie: Umsetzung im Körper
In der Lunge bestimmt das Partialdruckgefälle den Gasaustausch: Sauerstoff diffundiert ins Blut, Kohlendioxid hinaus. Henry erklärt, warum O₂ trotz niedriger Löslichkeit ins Hämoglobin eingebunden wird und warum CO₂ sich größtenteils als Bicarbonat im Blut wiederfindet.
In der Spiroergometrie wird das Ganze messbar:
O 2 -Aufnahme ( ) und CO 2 -Abgabe ( ) werden kontinuierlich gemessen.
Der Respiratorische Quotient (RQ) wird berechnet als:
Interpretation:
- → Fettverbrennung dominiert
- → Glucoseverbrennung dominiert
- Dazwischen → Mischkost, Proteine, Übergangsbereiche
So wird aus Schulstoff plötzlich klinische Praxis: Ob Herz-Kreislauf-Leistung, Stoffwechselumschaltung oder Trainingseffekt – die Auswertung steht und fällt mit dem Verständnis von Gasgesetzen und chemischen Reaktionen.
Fazit
Geräte spucken Zahlen aus – aber die Zahlen leben von Physik und Chemie. Wer als Arzt nur auf den Ausdruck schaut, ohne die Grundlagen zu verstehen, übersieht schnell Grenzen und Fehlinterpretationen.
Gasgesetze sind also kein Luxuswissen. Sie sind das Werkzeug, mit dem Spiroergometrie überhaupt Sinn ergibt.
Oder anders gesagt: Physik liefert die Gasgleichungen, Chemie liefert das Denken – und die Physiologie macht daraus Medizin.
Wer jetzt das Gefühl hat: „Das hätte ich in der Klausur nicht hinbekommen“, findet Unterstützung unter Nachhilfe Chemie im Medizinstudium.
Disclaimer
Niemand hat die Absicht, Medizinstudierende mutwillig in den Wahnsinn zu treiben.
Die fiesen Aufgaben sind nur Trainingsgeräte – wer sie überlebt, schreibt in der echten Klausur meist entspannter.
Und ganz ehrlich: Solche Texte entstehen zwar allein in meinem Kopf. Aber natürlich hilft mir dabei ein Sprachmodell, damit am Ende ein runder Blog herauskommt. Transparenz muss auch sein.